Nachdem Latif, der junge Delfin, der sich in einem Seil verheddert hatte, seit Monaten nicht gesehen worden ist, wurde er nun für tot erklärt.
Hier ist die deutsche Übersetzung der entsprechenden Mitteilung von Angela Ziltener und der Dolphin Watch Alliance:
Traurige Nachricht: Kalb „Latif“ gilt als tot. 😪🙏🐬
Latif, ein damals etwa 5 Monate altes männliches Kalb, wurde erstmals im März 2020 mit einer Angelschnur dokumentiert, die sich um seine Schwanzflosse gewickelt hatte. Im Laufe des nächsten Jahres, als er schnell an Körpergröße zunahm, wurde beobachtet, dass die Leine in sein Fleisch schnitt, was anscheinend Hautinfektionen und Bewegungseinschränkungen beim Schwimmen verursachte. Im Winter 2020-2021 haben wir mehrere noch nie zuvor unternommene Versuche unternommen, die Leine von Latif auf See zu entfernen, waren aber leider nicht erfolgreich. Leider haben wir Latif 2022 nicht gesehen und vermuten, dass er gestorben ist. Wir haben seine Mutter Lea diesen Sommer und Herbst ohne Latif in einem Alter beobachtet, in dem wir noch erwartet hätten, ihn mit seiner Mutter zu sehen. Wir vermuten, dass er mit seinen Verletzungen durch Raubtiere wie Haie stärker gefährdet wäre, Probleme beim Fangen seiner eigenen Fische haben könnte und anfälliger für Infektionskrankheiten wäre.
Das Verheddern in Fanggeräte ist die weltweit häufigste Todesursache von Meeressäugern sowie anderen Arten wie Schildkröten und Haien. Wir haben mehrere Delfine in der Population des nördlichen Roten Meeres mit derselben Art von Verstrickung beobachtet. Bitte melden Sie Sichtungen verhedderter Delfine an https://www.facebook.com/RedSeaMarineParks und unsere Seite oder kontaktieren Sie uns, wenn Sie weitere Informationen zu den wahrscheinlichen Ursachen haben. Vielen Dank für all Ihre Unterstützung !! 🙏🌎💙🌊🐬🦈
Offenbar
waren die wenigen Sichtungsmeldungen durch Touristen und Tourguides, von denen hier berichtet wurde, unwahr - was leider immer wieder vorkommt, weil man Delfine einfach nur schwer voneinander
unterscheiden kann. Auf jeden Fall wurde Latif das ganze Jahr über nicht von Fachleuten gesehen, die ihn zweifelsfrei erkennen können.
Natürlich sind alle im "Save Latif!"-Team bestürzt über diese Nachricht - aber die Versuche, die übrigen in Seile verhedderten Tiere zu retten, werden weitergehen. Und wir werden darüber, wie geplant, die Filmdokumentation produzieren.
Die gute Nachricht vorweg: Latif und den anderen Delfinen vor Hurghada, die Seilschlingen um die Schwanzfluke gewickelt haben, geht es gut. Es besteht zurzeit keine unmittelbare Lebensgefahr. Trotzdem müssen natürlich die Seile, wenn möglich, entfernt werden.
Das ist das Ergebnis einer sehr bemerkenswerten Besprechung mit der Nationalparkverwaltung und der Umweltschutzorganisation HEPCA in den Räumen der Umweltpolizei in Hurghada. Meeresbiologin Angela Ziltener hatte um die Besprechung gebeten und das aus gutem Grund.
Es gab nämlich Pläne, mit ein paar Fischern aufs Meer hinauszufahren, Latif einzufangen und das Seil abzuschneiden – ambitioniert, vielleicht sogar gut gemeint, aber eine Katastrophe, was Planung und Personal anging: Es wären nämlich keine Delfin-Experten beteiligt gewesen, nur Fischer und ein paar selbsternannte Naturschützer. Es ist sehr fraglich, ob diese unorganisierte Truppe auch nur einen einzigen Delfin zu Gesicht bekommen hätte und es ist fast ausgeschlossen, dass sie Latif hätten einfangen können. Aber wenn dieser extrem unwahrscheinliche Fall eingetreten wäre, es wäre Latif garantiert nicht gut bekommen. Denn dass blutige Laien es schaffen, einen gestressten Delfin u verletzt einzufangen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Bei der Besprechung fielen zum Glück aber wichtige Entscheidungen zu Gunsten der Delfine.
Maßnahme Nummer 1: Es wird keine Hauruck-„Rettungs“aktion geben, alle Versuche von wohlmeinenden Laien werden von den Behörden unterbunden.
Mehrere Beobachtungen und Unterwasservideos lassen darauf schließen, dass Latif immer seltener mit seiner Mutter unterwegs ist (was gut ist, denn dann muss sie nicht mit eingefangen werden!) und dass er offenbar gut genährt ist, mit seiner Situation also zurzeit noch klarkommen. Das betrifft, soweit man das im Moment beurteilen kann, auch die anderen Delfine, die von dem Problem mit den Seilen betroffen sind. Daraus ergibt sich Maßnahme Nummer 2: Die Rettungsaktion für Latif wird sorgfältig und ohne hektischen Aktionismus vorbereitet. Dazu wurde eine ungewöhnliche Allianz aus Angela Zilteners Dolphin Watch Alliance, der HEPCA und der Nationalparkverwaltung gebildet.
Eine Zusammenarbeit von DWA, HEPCA und Nationalparkverwaltung klingt natürlich großartig – mehr Fachpersonal, mehr Funding, mehr Boote sind immer gut, wenn es um die komplizierte Rettung von Delfinen geht.
Die Gruppe schmiedet gerade Pläne und organisiert Übungseinheiten für die zukünftigen Delfinretter, bei denen das verletzungsfreie Einfangen und Behandeln freilebender Delfine trainiert werden soll.
Leider ist diese Konferenz nun schon drei Monate her und seitdem scheint sich nicht viel bewegt zu haben. Gebril Naher, bei der Besprechung noch Tierarzt und Senior Conservation Specialist der HEPCA hat die Organisation mittlerweile sogar verlassen.
Im Augenblick steht es also in den Sternen, wann und was vielleicht einmal passieren wird.
Es ist zum Verrücktwerden! Schon die zweite Ägypten-Reise: Vom Winde verweht.
Eigentlich ist der Mai normalerweise einer der besten Monate, mit wenig Wind und oft spiegelglatten Meer. Zwischen Hurghada und El Gouna will der Wind einfach nicht nachlassen, und das schon seit Monaten. Die Ägypter freut die ständige Brise, seit es wieder heiß geworden ist, denn sie sorgt für eine angenehmen Abkühlung. Aber wer immer auf dem Meer zu tun hat, verflucht den Wind, der nun schon seit dem Spätsommer 2021 fast ununterbrochen weht. Die Touristen auf den Ausflugsbooten werden heftig durchgeschüttelt, und wer Videoaufnahmen der Delfine machen will, hat es schwer: Die Tiere sind zwischen den hohen Wellen kaum auszumachen und das ständige Wirbeln der windgepeitschten Wellen verschlechtert die Sicht unter Wasser.
Angela Ziltener, Meeresbiologin der Dolphin Watch Alliance konnte wegen des starken Windes zwischen Januar und März nur achtmal hinausfahren.
Kein Wunder, dass Latif, der junge Delfin mit dem Seil um die Schwanzfluke, lange Zeit nicht gesehen wurde. Seit Monaten schon ist Latif verschollen. Niemand wusste, was mit ihm geschehen war: War er vielleicht längst gestorben? Ist er mit seiner Mutter Lea fortgezogen? Oder war er nach wie vor gesund und munter, schwamm aber gewissermaßen unter dem Radar?
Ab und zu trudelten Meldungen von Touristen herein, die beim Schnorcheln Latif gesehen hatten. Leider sind Touristen nicht immer die zuverlässigsten Quellen: Es gibt ja inzwischen mindesten fünf Delfine, die mit einem Seil am Schwanz herumschwimmen, und wer die Tiere nicht regelmäßig sieht und unterscheiden kann, hält alle für Latif.
Jetzt sind aber Fotos mit guten Nachrichten aufgetaucht: Tauchguide Joseph Hanna von Delfinschwimmen Hurghada hat Latif entdeckt und fotografiert, und zwar im April und Ende Mai.
Aus den Bildern kann man interessante Dinge herauslesen. Das Wichtigste: Latif geht es offenbar gut! Er scheint normal zu schwimmen, die schreckliche vernarbte Wunde an der Fluke scheint ihn nicht unmittelbar zu behindern.
Erkenntnis Nummer zwei: Offenbar klebt er nicht mehr so nah an seiner Mutter Lea. Bei unserem letzten Besuch im August 2021 hielt sich Latif immer noch sehr nah bei seiner Mutter auf, eigentlich zu nah für sein Alter Jospehs Bilder zeigen allerdings, wie er allein umherschwimmt (und wie man an dem Herz aus Korallenstücken am Grund erkennen kann: Am Korallenriff Sha’ab El Erg).
Außerdem zeigt sich ein heller Fleck an seinem Rücken, zwischen Rückenfinne und Fluke. Es scheint, als habe er sich eine Pilzinfektion zugezogen. Willkommen im Club: Pilzinfektionen sind zurzeit sehr verbreitet unter den Delfinen zwischen El Gouna und Hurghada. Ist das vielleicht eine Folge der vielen Fäkalien, die tagtäglich von den Touristenbooten ins Meer verklappt werden?
In Sachen Rettungsaktion hat sich übrigens eine unerwartete Wendung ereignet: Eine unwahrscheinliche Allianz wurde geschmiedet – dazu später mehr!
Seit Ende Februar ist die Crowdfunding-Aktion für Latif den Delfin abgeschlossen. Allen Unterstützer:innen wurde bereits per E-Mail gedankt, und zurzeit sind die tragbaren Dankeschöns - T-Shirts und Hoodies - in Produktion und werden in der ersten Juni-Hälfte verschickt.
Mit dem kleinen Fotobuch dauert es naturgemäß noch, denn die Fotos müssen ja erst entstehen. Geplant ist, dass in dem Buch auch Fotos der Rettungsaktion abgebildet sind und wir alle hoffen, dass die Rettung in den nächsten Monaten angegangen werden kann.
Leider ist Latif schon seit langer Zeit nicht gesehen worden. Niemand weiß, wo er steckt. Aber das muss nicht zwangläufig etwas Schlimmes bedeuten: Die vergangenen Wochen und Monate waren ungewöhnlich stürmisch, und erst seit Kurzem ist Biologin Angela Ziltener wieder regelmäßig zu den Delfinen unterwegs. Mit etwas Glück findet sie Latif bald.
Doch selbst wenn Latif selbst verschwunden sein sollte, so gibt es mindestens noch vier (!) weitere Delfine, die unsere Hilfe benötigen.
Mitte Mai werde ich für drei Wochen nach Ägypten reisen, um mit Angela nach Latif zu suchen. Für diese Reise wird übrigens noch kein Euro der Startnext-Kampagne ausgegeben. Trotzdem bin ich natürlich in Sachen Kampagne unterwegs: Zusätzlich zu Suche nach Latif, möchten wir gerne Kontakt zu einigen Fischern aufnehmen und uns genau erklären lassen, wie genau sich die Delfine verheddern. Und mit viel Glück können wir die Langleinen unter Wasser auch filmen.
Übrigens haben die Delfine zwischen Hurghada und El Gouna neuerdings mit einer weiteren Plage zu kämpfen - dazu später mehr!
Wenn sich ein Delfin wie Latif in einem Seil oder einem Fischernetz verheddert, ist sein Leben in Gefahr. Aber auch jeder Rettungsversuch ist riskant!
Der wohl berühmteste Vorfall mit einem verhedderten Delfin sorgt immer mal wieder bei Youtube für Aufsehen: Der amerikanische Naturschützer Keller Laros war 2013 zum Nachttauchen vor Hawaii unterwegs, als plötzlich ein Großer Tümmler aus dem Dunkel auftauchte und offensichtlich um Hilfe bat: Eine Angelleine hatte sich um seine Brustflosse gewickelt, ein Haken bohrte sich in seine Haut. Der Delfin schwamm ganz nahe zu Keller, wartete geduldig, bis dieser Haken und Leine entfernt hatte und verschwand danach ruhig und sicherlich auch erleichtert wieder in der Dunkelheit.
So viel Kooperation kann das Team der Dolphin Watch Alliance von Latif nicht erwarten – Latif ist ein sehr schüchterner kleiner Delfin: Obwohl er schon älter als zwei Jahre ist, bleibt er immer ganz nah bei seiner Mutter. Nie unternimmt er kleine Ausflüge auf eigene Faust, wie andere Delfinjunge das machen.
Die Details, wie genau das Team der DWA Latif von dem tödlichen Seil befreien wollen, sind noch nicht entschieden: Wenn es so weit ist, wird man Latif zuerst genau beobachten und dann die Vorgehensweise nach der Situation vor Ort entscheiden.
Daher lohnt es sich, einmal zu schauen, wie Delfinbefreiungen in anderen Teil der Welt schon abgelaufen sind. Denn Latif ist nicht der erste Delfin, der Hilfe brauchte – die Gefahr für Meerestiere, sich in Fischereigerät zu verheddern, ist allgegenwärtig.
In einer aktuellen Studie heißt es beispielsweise, beinahe die Hälfte aller Hummerfischer in Schottland hätten angegeben, dass sich in den Seilen ihrer Hummerkörbe schon einmal Wale und Delfine verfangen hatten.
In den USA existieren zahlreiche private Gruppen zum Retten von Delfinen, zudem verfügen die zuständige Behörden, der Fish and Wildlife Service oder die NOAA, über eigens ausgebildete Rettungsteams. Privatleuten ist das Retten von Meeressäugern gesetzlich verboten – wer auf eigene Faust ein Tier rettet, kann sogar hinter Gittern landen.
Die Teams versuchen dann, den Delfin in Not einzufangen und die gefährliche Leine möglichst schnell abzuschneiden. Das Einfangen geschieht in der Regel mit Netzen. Enorm hilfreich ist es, wenn das Meer dabei so flach ist, dass die Helfer stehen können.
Im US-Bundesstaat Georgia konnte ein verheddertes Tier einfach am unerwünschten Seil festgehalten werden – Video siehe unten.
Das Problem beim Einfangen: Für manche Tiere bedeutet es extrem viel Stress. Sie haben ja keine Ahnung, dass ihnen in Wahrheit geholfen werden soll. Meeresbiologen erinnern sich mit Grausen an jenen Vorfall, als im Golf von Kalifornien einer der letzten Vaquita-Delfine eingefangen wurde, um die Tierart zu retten. Das gestresste Tier verstarb, und die gutgemeinte Aktion erreicht das Gegenteil ihres ursprünglichen Ziels: Sie brauchte tatsächlich Vaquita dem Aussterben einen weiteren Schritt näher.
Leider sind solche Probleme auch bei der Rettungsaktion für Latif nicht auszuschließen. Daher wird das Team extrem genau abwägen, wie genau und ob überhaupt die Rettung versucht werden kann.
Aber selbst Jahre nach einer möglichen Rettungsaktion kann es noch Probleme geben: In Florida starb kürzlich ein Delfin-Kalb zwei Jahre nach seiner Befreiung: Die Angelschnur, die ein FSW-Team von Flossen und Schnabel entfernten, hatte den Kiefer des kleinen Delfins so stark deformiert, dass er irgendwann nicht mehr genug fressen konnte.
Bei all diesen gravierenden Probledmen ist es umso wichtiger, alle Beteiligten – Behörden, Politiker und natürlich auch die Fischer – darüber aufzuklären, dass das Verheddern die Tiere um jeden Preis vermieden werden muss. Die Population der Indopazifischen Delfine im nördlichen Roten Meer ist nicht gerade riesig, und die Sterblichkeit durch Fischereigerät oder als Beifang sind nach aktuellen Schätzungen erschreckend hoch.
Daher wird – dank der großzügigen Hilfe durch mittlerweile 100 Unterstützer:innen – auf jeden Fall ein Film entstehen, der möglichst wirkungsvoll auf das Problem aufmerksam machen soll. Mit viel Glück wird darin auch ein befreiter Latif zu sehen sein.
Dieses Video zeigt in etwa, was Latif passiert ist: Taucher konnten vor Teneriffa einen Delfin filmen, der sich in einem Seil der Fischerei verfangen hatte: https://youtu.be/FOUlAbkVbgA?t=42
Ds Georgia Department of Natural Resources hat eine relativ einfache Befreiung gefilmt: https://youtu.be/QOcQTc-A3E0
In Florida wurde dieses Delfinkalb eingefangen und von Haken und Angelschnur befreit: https://videos.fisheries.noaa.gov/detail/videos/dolphins-porpoises/video/6013191155001/dolphin-calf-disentangled-and-released-in-florida?autoStart=true
Ein Delfin, der um Hilfe bittet? Seht selbst! https://youtu.be/2gvgkHSyKFE
Der junge Delfin Latif braucht unsere Hilfe. Andernfalls können wir ihm beim langsamen Sterben zusehen.
Wir haben daher eine Crowdfunding-Aktion gestartet, die dabei helfen soll, den Delfin zu retten und die Rettungsaktion filmisch zu dokumentieren - um andere Delfine vor Latifs Schicksal zu bewahren.
Wir halten Sie auch gern dann und wann über Latif und die Rettungaktion auf dem Laufenden. Bitte senden Sie uns eine kurze Nachricht an:
Foto: Angela Ziltener
Foto: Angela Ziltener
Foto: Angela Ziltener